Infotafel Kriegsgräberstätte
Hier haben insgesamt 338 Menschen, die im Ersten und im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen, ihre letzte Ruhe gefunden. Neben sowjetischen Kriegsgefangenen, polnischen Zwangsarbeitern, ermordeten KZ-Häftlingen und zivilen Opfern wurden ebenso deutsche Soldaten beigesetzt. Die Identität sieben weiterer Bestatteter ist ungeklärt.
Unter den Bestatteten sind auch Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz, die in den letzten Kriegstagen noch standrechtlich hingerichtet wurden.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. hat diese Gräberfeld Anfang des sechziger Jahre auf dem Gelände eines mittelalterlichen Friedhofes angelegt.
In Zusammenarbeit mit Bund und Land, dem Landkreis sowie der Stadt und der Kirchengemeine Schlüchtern gelang es, Kriegstote aus den Kreisen Gelnhausen, Schlüchtern und Hanau hier zusammen zu betten.
Mit der feierlichen Einweihung durch den damaligen hessischen Innenminister H. Schneider wurde die Kriegsgräberstätte am 26. Mai 1963 in die Obhut der Stadt Schlüchtern gegeben.
Ehrenfriedhof
Blick über den Ehrenfriedhof
Zahlreiche, zumeist sehr junge Angehörige der 6. SS-Gebirgsdivision Nord, starben nach dem Ende der Kampfhandlungen in der Wetterau und im Vogelsberg. Anfang April 1945 versuchte die zur Kampfgruppe geschrumpfte SS-Einheit, die bereits seit Tagen, von der amerikanischen Armee besetzten Orte Leisenwald und Waldensberg zu erobern. Ergebnis der erbitterten Kämpfe war die weitgehende Zerstörung der beiden Ortschaften, 14 Tote unter der Zivilbevölkerung, mehr als 100 gefallene SS-Männer und eine unbekannte, wahrscheinlich dreistellige Zahl gefallener amerikanische Soldaten.
Ende März 1945 wurden der 29-jährige Gottfried Ellinger (Gräberfeld A. Nr. 21) und ein unbekannter Soldat (Gräberfeld A. Nr. 20) von einem fliegenden Standgericht zum Tod verurteilt. Von Ellinger wird berichtet, dass er sich lediglich die ihm zustehende Verpflegung besorgen wollte. Diese Vorgehen wurde ihm als Fahnenflucht ausgelegt.
Der junge Mann wurde am 30. März 1945 am Straßenrand erhängt. Bei den Umbettungsmaßnahmen in den sechziger Jahren wurde in den Gräbern der Hingerichteten je ein Stück Draht gefunden. Jener Draht, mit dem ihnen zur Abschreckung Schilder umgebunden worden waren, die sie als "fahnenflüchtige Feiglinge" brandmarkten.
Blick über den Ehrenfriedhof
Blick über den Ehrenfriedhof
Auch Häftlinge des KZ-Außenkommandos "Katzbach" der Adlerwerke Frankfurt am Main haben in Schlüchtern ihre letzte Ruhe gefunden. Nach der Lagerauflösung am 25. März 1945 waren die Gefangenen in Richtung Buchenwald getrieben worden. Viele der ausgehungerten und erschöpften Männer starben; sie wurden von SS-Wachleuten erschossen oder brachen tot zusammen. Noch Wochen später wurden ihre Leichen aus zugeschütteten Gräben entlang des Weges oder aus dem Main geborgen. Einige dieser Toten hatte der Friedhofswärter von Dörnigheim auf dem dortigen Friedhof begraben.
Bei den Überführungen sind nachweislich sechs unbekannte KZ-Häftlinge zur Kriegsgräberstätte Schlüchtern umgebettet worden. Als "unbekannte polnische Kriegstote" wurden sie im Gräberfeld C Nr. 328-333 beigesetzt.
1052 Gräberstätten der beiden Weltkriege gibt es in Hessen. Über 70 000 Menschen fanden dort ihre letzte Ruhe: Soldaten und Zivilisten, Deutsche wie Ausländer, Männer, Frauen und Kinder.
Heute sind diese Stätten in vielen Fällen Orte der Ruhe und Abgeschiedenheit. Nur wenige kennen ihre Geschichte.
Vor diesem Hintergrund hat es sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Landesverband Hessen, zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der hessischen Kriegsgräberstätten zu dokumentieren. Ziel dieses Projektes ist es, Informationsmaterial zu sammeln, um die Auseinandersetzung der nachfolgenden Generationen mit Kriegsgräberstätten zu fördern.
Blick über den Ehrenfriedhof
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Landesverband Hessen
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Fax: 069/944907-70
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www.volksbund.de
Müller, Susanne
Michael Keller: Zur Geschichte der 6. SS-Gebirgsdivision Nord.
Friedberg 2002
Norbert Haase und Gerhard Paul (Hrsg): Die anderen Soldaten.
Frankfurt am Main 1995
Quelle: Aktenbestand des Landesverbandes Hessen
Ernst Kaiser und Michael Knarn: "Wir lebten und schliefen zwischen den Toten". Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken.
Frankfurt, New York 1994
Der gesamte Text entstammt dem Faltblatt des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. "Kriegsgräberstätte Schlüchtern".
KN-Artikel vom 26.03.2015